Bevor sich das Jahr zu Ende neigt und uns unsere Erasmus+ Praktikantinnen Rebecca und Olivia wieder in Richtung ihrer Heimat Deutschland verlassen, bekamen sie und einige andere unserer Praktikantinnen und Mitarbeiter:innen noch die Gelegenheit ein besonderes Naturjuwel der Großstadt Wien kennen zu lernen.
Der Lainzer Tiergarten, ein bedeutendes Naturschutzgebiet im Westen Wiens, zeichnet sich durch seine herausragende Artenvielfalt und die Vielzahl gefährdeter Tier-, Pilz- und Pflanzenarten aus. Besonders schützenswert ist die Mischung aus lebendem Altholz sowie stehendem und liegendem Totholz, das wertvolle Lebensräume für viele Arten bietet. Im Rahmen einer Exkursion mit dem Ökologen Alex Mrkvicka (Forst- und Landwirtschaftsbetrieb der Stadt Wien), der das Gebiet seit 32 Jahren betreut, bekam unser Team Einblicke aus erster Hand in diesen einzigartigen Naturraum.
Zur Geschichte des Lainzer Tiergarten:
Der Lainzer Tiergarten steht seit 1941 unter Naturschutz und war bis 1918 ein beliebtes Jagdgebiet der Habsburger. Um das Wild auf dem Gelände zu halten, wurde im Jahr 1718 eine 21 Kilometer lange Mauer errichtet. Während der NS-Zeit wurde der Lainzer Tiergarten von Hermann Göring, dem damaligen Reichsforstmeister, als Jagdgebiet genutzt. Die Erklärung zum Naturschutzgebiet im Jahr 1941 diente vermutlich auch seinem persönlichen Interesse an der Erhaltung der Jagdgründe. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die Stadt Wien die Verwaltung des Gebiets, das heute ein einzigartiges Naturschutzgebiet, aber auch beliebtes Erholungsgebiet der Wiener Bevölkerung ist.
Seit 2008 ist der Lainzer Tiergarten Teil des europäischen Natura 2000-Netzwerks, das durch die FFH-Richtlinie der EU prioritäre Lebensräume und Arten schützt. Eine wichtige Managementmaßnahme im Tiergarten ist die Regulierung des Wildbestands durch Bejagung. Bis 2018 war das Gebiet jährlich für etwa zweieinhalb Monate geschlossen, um forstliche Pflegearbeiten und konzentrierte Jagden durchzuführen. Seit 2015 erfolgt die Jagd jedoch kontinuierlich, was den Stress für das Wild deutlich reduziert hat. Der Wildbestand wird dadurch nachhaltig auf einem für den Lebensraum angepassten und verträglichen Maß gehalten.
Ein Schatz der Artenvielfalt
Im Zentrum des Lainzer Tiergartens liegt das Naturwaldreservat und Biosphärenpark-Kernzone Johannser Kogel, ein einzigartiges Schutzgebiet mit Eichen, die bis zu 500 Jahre alt sind und Stammumfänge von über vier Metern aufweisen. Seit der Erklärung des Gebietes zu einem der ersten Naturwaldreservate Österreichs im Jahre 1972 auf Initiative von Prof. Kurt Zukrigl (BOKU) sind insgesamt 45 von 70 Hektar des Gebietes durch einen Zaun geschützt, um eine ungestörte Entwicklung des Waldes zu ermöglichen. Dies liefert wichtige Erkenntnisse über die natürliche Waldentwicklung und notwendigen Pflegemaßnahmen, um einen klimaftitten und artenreichen Wald zu unterstützen. So benötigen vor allem junge Eichen viel Licht, um sich gut entwickeln zu können. Ohne Pflegemaßnahmen können sie daher in dichtem Wald nicht groß werden.
Der Klimawandel stellt die Wälder vor große Herausforderungen. Besonders die Rotbuche (Fagus sylvatica) leidet unter steigenden Temperaturen und Trockenheit, was zu einem Rückgang der Bestände und einerm Verlust von Biodiversität führt. Gleichzeitig profitieren bedrohte Arten wie der Große Eichenbock (Cerambyx cerdo), der Hirschkäfer (Lucanus cervus) und der Alpenbock (Rosalia alpina) von gezielten Maßnahmen, wie dem Stehen- und Liegenlassen von Totholz. So galt z.B. der Alpenbock (Rosalia alpina) vor 30 Jahren in Wien als nahezu ausgestorben, heute findet sich im Lainzer Tiergarten einer der größten Bestände Mitteleuropas. Das Totholz, vor allem große Stämme und Äste, spielt dabei eine zentrale Rolle. Es dient nicht nur als Lebensraum für Insekten und Pilze wie den Leberreischling (Fistulina hepatica), sondern auch als Wasserspeicher und Schutz gegen Waldbrände. Darüber hinaus stabilisiert es den Boden, bildet beim Abbau durch Pilze Humus, speichert Kohlenstoff und trägt wesentlich zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität bei.
Der Johannser Kogel und der gesamte Lainzer Tiergarten sind Vorbilder für Naturschutz und das Management von Waldschutzgebieten. Sie zeigen, wie Lebensräume erhalten und nachhaltig gemanagt werden können, um Natur und Artenvielfalt für die Zukunft zu bewahren und die Wälder resilienter gegen den raschen Klimawandel zu machen.
Norbert Elek, Landschaftspflegeverein